Covid 19 – eine psychische Zerreißprobe

Covid 19 – der stille Krieg gegen einen unsichtbaren Feind wird zur psychischen Zerreißprobe. Das Wort Krieg habe ich bewusst gewählt, weil das Ausmaß und die Auswirkungen, die diese Pandemie mit sich bringt, dieselben psychischen Probleme verursacht, wie ein mit Waffengewalt geführter Krieg.

Die Pandemie schürt Ängste, verunsichert und es gibt – ständig durch die Medien verbreitet – keine Aussicht auf Besserung. Ich möchte eine kurze Auflistung der Themen und Ängsten machen, denen ich täglich in meiner Praxis begegne. Es macht deutlich, welche psychische Belastung unsere derzeitige Situation für viele Menschen ist.

  1. Verlust der Lebenskontrolle und Existenzgrundlage: Die Angst vor Armut steigt.
     
  2. Angst um die Zukunft; Gefühl des Ausgeliefertseins, des Abhängigseins von Macht und Willkür von Anderen: die Ampel kann jederzeit auf ROT stehen: Was dann? Niemand weiß es genau.
     
  3. Existenzielle Ängste steigen, Unternehmen sind pleite, Existenzen stehen auf dem Spiel. Florierende Geschäft stehen vor dem Aus. Die Menschen haben keine Antworten auf viele Fragen: „Wer bezahlt meine Rechnungen, wer sichert meine zukünftige Existenz, meine Wohnung?
     
  4. Angst vor Ansteckung – viele Menschen geraten sozusagen in Todesangst; für sie bedeutet Ansteckung bereits den gefühlten Tod.
     
  5. Das Eingebettetsein in die Gemeinschaft, das uns Sicherheit, Vertrautheit gibt, ist zersplittert, denn der Nachbar im Bus, im Supermarkt, auf der Straße könnte für dich tödlich sein. Statt einem freundlichen Lächeln gibt es ein Wegschauen, Wegdrehen, Ausweichen.
     
  6. Besuchsverbot als Sicherheitsmaßnahme für alte und kranke Menschen.

    „Ich will nicht für den Tod meiner Mutter, Oma, Opa verantwortlich sein“, habe ich sehr oft in der Praxis gehört; Einerseits berechtigt wegen der Ansteckungsgefahr, grausam den betroffenen Menschen gegenüber, die schwer krank sind und sich von ihren Familien verabschieden bzw. die noch verbleibende Zeit so oft wie möglich gemeinsam verbringen wollen.
     
  7. Sinnleere, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Sinnlosigkeit ist die vorherrschende Stimmungslage je länger die Unsicherheit andauert.
     
  8. Die Zahl der Posttraumatischen Belastungsstörungen, psychosomatischen und psychischen Beschwerden als Reaktion auf Angst und Stress werden ansteigen.
     
  9. Personen, die unter Ängsten und Panik leiden reagieren besonders sensibel auf unsichere Zukunftsbilder.
     
  10. Personen, die ein Trauma erlitten haben, können retraumatisiert werden, besonders dann, wenn es mit Einsamkeit und Verlust in Verbindung steht.

    Aus der wissenschaftlichen Forschung wissen wir, dass Traumata an zukünftige Generationen weitergegen werden können. Es handelt sich dabei um transgenerative Traumata. In unserer westlichen Welt tragen wir noch heute die Kriegserfahrungen unserer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern in uns. Dazu kommt eine Migrationsgesellschaft, die noch mit ihrem erlebten Schrecken kämpft. – und jetzt erleben wir nach bedrohlichen Szenarien aufgrund von Umweltsünden eine Pandemie, über die viele alles zu wissen glauben, manche gar nichts, jedenfalls gibt es ständig neue, manchmal auch sich widersprechende Informationen über Fernsehen oder social Media.
     
  11. In meine Praxis kommen bereits Volkschulkinder mit Angst- und Zwangsstörungen

Die Liste könnte ich beliebig fortsetzen, möchte aber noch auf weitere Auswirkungen der allgemeinen Unsicherheit hinweisen. Nach einer Periode der Akzeptanz der Maßnahmen des Miteinander-Schaffen-Wir-Es  folgt langsam WUT durch die verlorene Selbstbestimmung und Lebenskontrolle. Protesthandlungen finden vermehrt statt, wie z.B das Verweigern des Maskentragens.

Bezogen auf das Sinnkonzept Viktor Frankls bedeutet das den Verlust eines guten WOFÜR, WOZU im Leben. Geht der Sinn abhanden, stellen sich Wut und Ärger ein, Frustration schleicht sich.  Darauf folgt entweder Resignation oder Aggression. Resignation führt zu einer ungesunden Lebensgestaltung und krankheitsfördernden Lebensmustern.

Die Auswirkungen, wenn Wut und Ärger nach außen getragen wird, erleben wir täglich in den Nachrichten. Die social Mediaplattformen sind voll von entfesselter Gewalt auf den Straßen. Sie spielt sich aber auch im Eigenheim und im engsten Familienverband ab, gegen Frauen und Kinder.

Es ist uns das gesellschaftliche und politische Vertrauen abhanden gekommen. Die ständigen statistischen Ergüsse über steigende und sinkende Corona Fälle – jetzt auch noch die Corona-Ampel, auf die wir jede Woche schauen müssen – schüren Zukunftsängste: „Was ist, wenn sie auf ROT steht?“ Angeblich passiert nichts – wozu haben wir sie dann? Oder passiert doch etwas, aber was genau? Man wird einschreiten müssen – aber wie? Einen weiteren Lock-down hält unsere Wirtschaft nicht aus und unsere Psyche auch nicht.

Die Corona-Kriegsberichterstattung muss aufhören!  Stephen Porges hat mit seiner Polyvagalen Theorie eine sehr gute Erklärung abgegeben, wie unser autonomes Nervensystem auf Gefahr reagiert. Es bringt uns in unischeren Situationen in eine Kampf- und Fluchtsituation, aber auch weiter in eine Immobilisation, eine sogenannte Schreckstarre. Viele Menschen stecken im Moment in einer sympathischen Aufregung oder in einem Gefühl der Bedrohung. Das kostet Kraft, raubt den Schlaf und macht auf Dauer krank.

Ich wünsche mir von der Politik und den Medien wieder Ruhe, andere Themen, Anregungen für einen guten Vertrauensaufbau und positive, gesundheitsfördernde Perspektiven. Dazu gehören zum Beispiel Informationen und Anregungen, wie man sein Immunsystem stärken kann.

Sehr wichtig wäre mehr Geld für Psychotherapie, denn der Bedarf ist gegeben.

Vor allem aber wünsche ich mir, dass die Kinder wieder angstfrei zur Schule gehen können.

Wenn auch sie vermehrt unter Ängsten, Panikattacken oder Depressionen leiden, zögern Sie nicht sich Hilfe zu holen.

Bleiben Sie gesund und gelassen!

Kontakt: office@pirker-binder.at, t: 0676 70 47 668